inhaltliche Erläuterungen
 

Klimaanalysekarte 2015 (Umweltatlas)

Im Rahmen des EFRE-Projektes „GIS-gestützte Modellierung von stadtklimatisch relevanten Kenngrößen auf der Basis hochaufgelöster Gebäude- und Vegetationsdaten“ (2013- 2015) wurden das Stadtgebiet von Berlin sowie das nähere Umland mit einer Gesamtfläche von rund 1.800 km² in einer Auflösung von 10m x 10m klimatisch analysiert und bewertet. Die Bearbeitung eines Untersuchungsraumes dieser Ausdehnung mit einer Rasterweite von lediglich 100m² stellte zum Zeitpunkt der Untersuchung bundesweit ein Novum dar und erforderte vor allem an diese Anforderungen angepasste und optimierte Modell-Eigenschaften von FITNAH-3D.

Die Klimaanalysekarte (Umweltatlaskarte 04.10.7) stellt das Hauptergebnis des Analyseteils der Klimamodellierung mit FITNAH 3D dar und beruht auf den vorher analysierten meteorologischen Parametern (Bodennahes Windfeld und Kaltluftvolumenstrom, Bodennahe Lufttemperatur, Strahlungstemperatur, Nächtliche Abkühlung).

Die Klimaanalysekarte bildet den planungsrelevanten Ist-Zustand der Klimasituation ab. Dazu werden das Ausmaß der städtischen Überwärmung, die Ausgleichsleistungen kaltluftproduzierender Flächen sowie räumliche Beziehungen zwischen Ausgleichs- und Wirkungsräumen dargestellt. Einbezogen werden auch die Auswirkungen von Freiflächen des Umlandes auf das Stadtgebiet.

Die Auswertung erfolgte für die Raumeinheiten „Siedlungsraum“ und „Grün- und Freiflächenbestand“, deren Differenzierung nach einer Systematik erfolgte, die sich aus den Flächentypen des Informationssystems Stadt und Umwelt (ISU) ableitet und im Begleittext zur Planungshinweiskarte Stadtklima (Umweltatlaskarte 04.11) dargestellt wird.

Grün- und Freiflächenbestand

Vegetationsbestandene Freiflächen mit nennenswerter Kaltluftproduktion stellen klima- und immissionsökologische Ausgleichsräume dar. Eine hohe langwellige nächtliche Ausstrahlung während austauscharmer Hochdruckwetterlagen führt zu einer starken Abkühlung der bodennahen Luftschicht. Die Menge der produzierten Kaltluft hängt ab vom vorherrschenden Vegetationstyp, den Bodeneigenschaften und der damit verbundenen nächtlichen Abkühlungsrate.

Die Gesamtfläche der potenziell kaltluftproduzierenden Grünflächen innerhalb des Stadtgebietes beziffert sich auf ca. 351 km², was einem Flächenanteil von rund 39,5 % des gesamten Stadtgebietes entspricht und als hoch angesehen werden kann. Die Ausprägung der Kaltluftlieferung innerhalb von Grünarealen ist dabei zumeist räumlich differenziert. Oft weisen bei innerstädtischen Grünflächen die zentralen Bereiche einen eher niedrigen Kaltluftvolumenstrom auf im Vergleich zu den an die Bebauung angrenzenden Teilflächen. Dies ist darauf zurück zu führen, dass, angetrieben durch den Temperaturunterschied zwischen Freifläche und Bebauung, die Kaltluft erst beschleunigt werden muss und dann die Werte in Richtung auf die Bebauung zunehmen. Im Übergangsbereich von Grünfläche und Bebauung sind der Temperaturgradient und damit auch die Intensität des Luftaustausches am höchsten. Areale mit einem Volumenstrom >90 m³/s werden in der Karte daher als Bereiche hohen und sehr hohen Luftaustausches hervorgehoben. Zum Teil setzen sich diese Bereiche auch als Flächen mit der Inwertsetzung „Kaltlufteinwirkbereich im Siedlungsraum“ in die bebauten Gebiete fort (siehe Unterpunkt Siedlungsräume).

Als Leitbahnen für den Kaltlufttransport fungieren große, linear ausgeprägte Freiflächen mit einer verhältnismäßig geringen Oberflächenrauigkeit. Hinsichtlich dieser Funktion sind drei Bereiche des Havel- bzw. Spreetals als bedeutsam zu nennen. Zum einen der Havelabschnitt zwischen Pichelssee und Ruhlebener Straße, der auf einer Länge von ca. 3km Kaltluft nach Norden in den Stadtteil Spandau führt. Zum anderen tritt der Rummelsburger See als Teil der Spree hervor, über den Kaltluft von Alt-Treptow und vom Plänterwald nach Rummelsburg strömt. Darüber hinaus ist noch ein Abschnitt der Dahme entlang von Grünauer- und Regattastraße zu nennen.

Aufgrund der wenig ausgeprägten Orographie sind solch relieforientierte Luftleitbahnen aber eher selten. Ein wesentlicher Beitrag der Niederungsbereiche von Fließgewässern zum Transport von Kaltluft aus dem Berliner Umland in das Stadtgebiet ist nicht zu erkennen, vielmehr treten nur Teile der Flusstäler innerhalb des Stadtgebietes als Leitbahnen in Erscheinung.

Siedlungsräume und Straßenraum

Der nächtliche Wärmeinseleffekt ist mit Hilfe des statistischen Verfahrens der Z-Transformation der modellierten nächtlichen Lufttemperatur in 2 m über Grund ermittelt worden. Mit diesem Vorgehen lässt sich eine räumliche Untergliederung des Siedlungs- und Straßenraumes nach dem Kriterium der nächtlichen Überwärmung gegenüber Freilandverhältnissen durchführen. Im Rahmen der Bestimmung der Bereiche mit bioklimatischer Belastung während der Nacht in der Planungshinweiskarte wurde ebenfalls die Verteilung der Lufttemperatur herangezogen (SenStadtUm 2016).

Vor allem Gebiete mit der Klassifikation „Wärmeinseleffekt nicht vorhanden bzw. schwach“ stehen mehr oder weniger unter dem positiven Einfluss eines Kaltlufteinwirkbereiches und sind in diesen Fällen zumeist auch durch eine ausreichende Durchlüftung gekennzeichnet, deren Reichweite in die Bebauung zum einen abhängt von der Kaltluftproduktivität (auch in der Bebauung selbst), zum anderen aber auch von der Hinderniswirkung des jeweiligen Bebauungstyps. Vor allem in den dichten bebauten Quartieren können auch im Einflussbereich von kaltluftproduzierenden Flächen stehende Blöcke als Flächen mit mäßigem bis starken Wärmeinseleffekt in den Nachtstunden bewertet werden. Diese lokalen Phänomene deuten darauf hin, dass in diesen Fällen die Wirkung der herangeführten Kaltluft nicht ausreicht, eine deutliche Minderung der Lufttemperatur herbeizuführen.

Dem stehen die Siedlungsflächen mit hohem Durchgrünungsgrad gegenüber, welche nur eine schwache bzw. keine nächtliche Überwärmung aufweisen. Bebaute Gebiete mit klimarelevanter Funktion weisen eine offene Siedlungsstruktur mit einem Gesamtversiegelungsgrad von weniger als 30% sowie keine oder höchstens geringe Überwärmung auf; sie tragen damit potenziell zur lokalen Kaltluftentstehung bei. Der konkrete lokale Effekt ist jedoch von der jeweiligen örtlichen Situation, d.h. z.B. wesentlich von der Vegetationsausstattung abhängig. Typische Flächentypen sind diejenigen der Einzel-, Reihen- und Doppelhäuser bzw. generell der Bebauung mit Gärten und Umgrünung. Oft grenzen sie an Kaltluft produzierende Grünareale an und tragen so zur Durchlüftung von weiter entfernten Siedlungsflächen mit nächtlicher Überwärmung bei.

Luftaustausch

Strukturen, die den Luftaustausch ermöglichen und Kaltluft heranführen, sind das zentrale Bindeglied zwischen Ausgleichsräumen und bioklimatisch belasteten Wirkungsräumen. Leitbahnen sollten generell eine geringe Oberflächenrauigkeit aufweisen, wobei gehölzarme Tal- und Auenbereiche, größere Grünflächen (vor allem mit ihren offenen, niedrig bewachsenen Bereichen) und Bahnareale als geeignete Strukturen in Frage kommen. Breite Straßen können aufgrund ihrer Immissionsbelastung nur dem Klimaausgleich, nicht jedoch dem Heranführen unbelasteter Luft dienen. Die Leitbahnen werden in der Klimaanalysekarte hinsichtlich des Prozessgeschehens untergliedert. Im ‚Idealfall‘ stellt eine kaltluftproduzierende Fläche auch einen Teilbereich einer Leitbahn dar.

Es überwiegen die vorwiegend thermisch induzierten Leitbahntypen mit einer rein auf die nutzungsbedingten Temperaturunterschiede zurückzuführenden Ausgleichsströmung. Beispielhaft für solche Strömungsbereiche im innerstädtischen Bereich können die Kleingartenanlagen am Priesterweg angeführt werden, die Kaltluft vom Friedhof an der Bergstraße in Steglitz sowie vom Insulaner in Richtung Norden transportieren. Ähnlich verhält es sich bezüglich der Kleingartenanlagen am Heckerdamm sowie des Volksparks Rehberge, hier wird ein Teil der auf dem Flughafen Tegel produzierten Kaltluft in Richtung Innenstadt weitergeleitet.

Insgesamt konzentrieren sich die erkannten thermisch induzierten Leitbahnen in folgenden Bereichen:

  • nördlich der Linie Tegel – Lichtenberg,
  • westlich des Schlossparkes Charlottenburg bis zur Stadtgrenze in Staaken; z.T. wird Kaltluft aus dem nördlichen Gatower Feld sowie dem Umland herangeführt,
  • im Süden östlich der Stadtgrenze zu Groß-Ziethen in den Ortsteilen Rudow und Bohnsdorf.

Flächen in der direkten Benachbarung Grün/Bebauung wurden nicht als Teil einer Leitbahn ausgewiesen.

Vorwiegend orographisch induzierte Leitbahnen sind auf das östliche Stadtgebiet konzentriert. Dabei handelt es sich um Talbereiche etwa der Wuhle und des Mühlenfließes, die aufgrund ihrer Ausrichtung, Breite und Oberflächenbeschaffenheit Leitbahnfunktionen übernehmen. Im westlichen Stadtgebiet kann dahingehend die vom Grunewald ausgehende Tiefenlinie Hundekehlsee - Dianasee - Koenigssee - Halensee eingeordnet werden.

Die Niederungen der größeren Fließgewässer wie Spree und Havel gehen über diese Funktion hinaus und besitzen zudem eine Eigenschaft als übergeordnete Luftleit- und Ventilationsbahnen. Sie begünstigen den Luftaustausch in der angrenzenden Bebauung auch bei stärkeren, übergeordneten Wetterlagen.

Ein flächenhafter Kaltluftabfluss ist auf Areale mit Hangneigungen >1° begrenzt und tritt im Stadtgebiet Berlin aufgrund der vergleichsweise geringen Höhenunterschiede eher selten auf. Daher ist dieser Prozess an die wenigen Bereiche mit einer nennenswerten Hangneigung wie die des Grunewaldes und der Köpenicker Bürgerheide gekoppelt. Darüber hinaus kann nördlich des Tegeler Sees, in Kaulsdorf sowie im Forst Düppel vereinzelt von einem Kaltluftabfluss ausgegangen werden. Die Kaltluftlieferung ist auf diesen geneigten Waldflächen überdurchschnittlich hoch, da die Ausstrahlung und damit die primäre Abkühlung hauptsächlich aus dem oberen Kronenbereich und nicht aus unmittelbarer Bodennähe erfolgt. Aufgrund der großen, ausstrahlenden Oberfläche des Bestandes fließt die Kaltluft auch im und über den Kronenbereich ab, statt erst in den Stammraum einzusinken.

Sonstige Ausweisungen

Die lufthygienische Situation im Hauptstraßennetz wird über den Index der Luftbelastung auf Grundlage der Schadstoffe Stickstoffdioxid (NO2) und Feinstaub (PM10) abgebildet (SenStadtUm 2011). Die räumliche Verteilung der Belastungssituation hängt eng mit den Verkehrsmengen sowie der entlang der Straßenabschnitte vorhandenen Bebauung zusammen. Letztere beeinflusst die Verdünnung und den Abtransport lufthygienisch belasteter Luftmassen, so das eine erhöhte Belastung vor allem in den dichter bebauten Stadträumen mit hohen Verkehrsmengen anzutreffen ist.

Windfeldveränderungen, d.h. die Neigung zu starken Turbulenzen sowie Auf- und Abwinden können im Umfeld größerer Gebäude auftreten, wie sie in den Bebauungstypologien heterogener, innerstädtischer Mischbebauung, Großsiedlungen und Punkthochhäusern sowie Kerngebietsnutzungen vorliegen. Mit diesen Veränderungen sind einerseits positive Wirkungen wie stärkere Verwirbelung lufthygienischer Belastungen verbunden, andererseits treten jedoch auch vermehrt Einschränkungen im Windkomfort auf. Von den Gewässerflächen im Stadtgebiet Berlin geht an Tagen mit Wärmebelastung eine Kühlfunktion für das nähere Umfeld aus. Darüber hinaus dienen sie als Luftleit- und Ventilationsbahnen auch bei austauschstärkeren Wetterlagen.

Lärmschutzeinrichtungen sind an Abschnitten entlang lärmemittierender Verkehrswege und entsprechend sensiblen Nutzungen vorhanden. Sie sind vor allem entlang der Bundesautobahn A 113 sowie entlang von Bahnstrecken im südlichen und westlichen Stadtgebiet ausgewiesen. Sie stellen in dieser Karte eine Zusatzinformation dar, da sie in der Modellierung im Hinblick auf ihren möglichen Einfluss auf die Ausbreitung von Luftmassen nicht explizit berücksichtigt werden konnten.


Die Aktualisierungsarbeiten sind im Rahmen des Projektes "GIS-gestützte Modellierung von stadtklimatisch relevanten Kenngrößen auf der Basis hochaufgelöster Gebäude- und Vegetationsdaten" durchgeführt worden. Dieses Projekt wurde aus Mitteln des Europäischen Fonds für Regionale Entwicklung (EFRE) und des Landes Berlin (Projektnummer: 027EFRE GDI) für Maßnahmen zum Aufbau der Geodateninfrastruktur (GDI) gefördert.

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Ausführliche Informationen finden Sie in den Begleittexten der im Digitalen Umweltatlas Berlin veröffentlichten Karten zum Thema 04.10 Klimamodell Berlin - Analysekarten (Ausgabe 2016).